Nach all den Erlebnissen fragte ich mich nur eines: Wie soll ich über diese beiden Tage einen Blogbeitrag schreiben?
Der Mann mit Maske und seiner Sammlung an Plagiaten
Der erste Tag startete mit Sonnenschein und starkem Heuschnupfen. Im Schloss Sihlberg trafen kurz vor dem Mittag nicht die Schönen und Reichen, sondern die Kreativen ein. Alle wurden vom diesjährigen Motto «Das Nonplusultra» angezogen. Von NEOVISO vertreten waren Laura (Videografin), Mirco (Grafikdesigner) und meine Wenigkeit Alena (Art Director).
Die Villa Sihlberg thronte über der Stadt Zürich und präsentierte sich als kreativer Rückzugsort für die Creative Days 2024. Der Fussboden knarrte und die Schuckaturen an den Decken wurden zum beliebten Fotomotiv. Eine frische Brise suchte sich den Weg durch die Räumlichkeiten der Villa, vorbei an alten Büchern, hoch die Treppe bis in den ersten Vortragsraum.
Vor uns stand er, der Mann mit Maske, auch bekannt als Joe La Pompe. Hungrig wühlt er sich durch die kreative Welt und deckt Plagiate auf. Doch noch viel wichtiger erklärte er uns, aus welchem Grund Plagiate in der heutigen Zeit entstehen und wie man solche in der eigenen kreativen Arbeit vermeiden kann. Gründe für ein Plagiat können sein, dass keine oder zu wenig Recherche betrieben wird, der Kunde oder die Kundin bereits mit einer klaren Vorstellung kommuniziert, dass in der eigenen Agentur zu wenig kreative Kultur herrscht oder zu wenig Erfahrung in einem Team vorhanden ist. Auch die künstliche Intelligenz (KI) zaubert uns oft eine kleine Lüge. Denn wir können abschliessend nie garantieren, woher die Inspiration stammt. Auch hier gilt Vorsicht.
Wir werden täglich von einer Flut an neuen Kampagnen und Informationen überschüttet. Oft bleibt wenig Zeit zum Durchatmen. Hier gilt besondere Vorsicht, wie wir mit unserer Kreativität umgehen und unsere Ideen entwickeln. Dazu kommen Kund:innen, die bereits eine klare Vorstellung mit uns teilen. Haben wir überprüft, woher diese Inspirationen stammen? Können wir abschliessend garantieren, dass diese Idee nicht bereits in dieser Form existiert?
Seine Botschaft an uns war: «Don’t be a follower.»
Doch was haben wir nun aus diesem Referat gelernt? Folgende Tipps möchten wir euch mit auf den Weg geben:
- Eigene Ideen auf dem Markt überprüfen und gründlich recherchieren.
- Hat der Kunde oder die Kundin bereits eine klare Vorstellung?
Erkundige dich, woher der Kunde oder die Kundin diese Inspiration hat. - Vertraue KI nicht blind. Man weiß nie, woher KI die Informationen hernimmt.
- Nicht bereits der ersten Kreatividee vertrauen. Hinterfrage deine Ideen kritisch und versuche den Ursprung der Idee zu analysieren.
- Bist du unsicher, ob deine Idee bereits existiert? Dann frag doch bei Joe La Pompe direkt nach. Keine Angst, deine Ideen sind wohlbehütet.
Willst du nicht in der Sammlung von Joe La Pompe landen? Dann sei nicht nur klug, sondern auch kreativ.
Der kreative Prozess und seine Tücken
Von Götz Ulmer wurden wir mal anders umarmt. Und zwar humorvoll und mit grossem Wissen aus der kreativen Branche.
Mit seinem Auftreten und seinen ehrlichen Worten riss er gleich alle in seinen Bann. Voller Euphorie sprangen seine Präsentationsfolien schneller als seine Erzählungen. Anderssein mag für viele Menschen ein mutiger und unbequemer Schritt sein, doch es ist wichtig, dass wir genau solche Menschen in unserer kreativen Branche haben. Menschen, die anders denken. Klar ist auch, dass wir in der Werbung mit Fakten nicht mehr überzeugen. Denn Menschen möchten inspiriert und mit Emotionen überzeugt werden. Wenn wir von repetitiver Werbung sprechen, dann landen wir oft in klischeebehafteten Branchen, wie z.B. in der Automobilbranche. Na dann los, wir brauchen «out-of-the-box» Ideen. Oder doch nicht? Götz Ulmer sagt klar: «Outside the box» sagen Menschen, die selbst in einer noch viel grösseren Box stehen. Ein schüchternes Lachen ging durch den Raum.
Mein Herz schlug höher, als aus Götz Ulmers Mund folgender Satz purzelte: «Lasst euch genügend Zeit für eure Ideen.» Eine witzige Anekdote, wenn die Idee bereits übermorgen stehen sollte, oder? Doch er hat Recht mit seiner Botschaft. Denn nur, wenn man seiner Kreativität genügend Zeit und Raum geben kann, entstehen grossartige und kreative Meisterwerke.
Auf seiner Präsentationsfolie tauchten wilde Schlangenlinien auf, die in alle möglichen Richtungen führten. Mal vor und dann wieder zurück, dann doch noch einmal mit einem grossen Umweg bis zum Ziel. Diese grafische Darstellung sollte unseren kreativen Prozess symbolisieren. Denn dieser ist gewiss nie gradlinig, sondern verläuft oft über etliche Umwege.
Was nehmen wir mit aus diesem Vortrag? Was wir auch immer umarmen, es sollte möglichst kreativ sein.
Zwischendurch kamen wir in den Genuss von diversen Eissorten, so kühlten wir Kopf und Verstand ab für die nächste Keynote-Präsentation.
Dann hiess es für uns: Augen schliessen und geniessen. Wir wurden entführt in eine Welt voller Klänge, einer warmen und wohligen Stimme. Von Ivan Funk wurden wir in die Welt der Szenografie entführt, dessen Meinung nach ist Szenografie eine junge Gestaltungsform ist. Mit den von Ivan bereits umgesetzten Projekten wurde immer deutlicher, dass Szenografie nicht nur komplex, sondern auch mit hohen Kosten verbunden ist. Doch die Wirkung ist mächtig und der Erfolg messbar.
Übermut kommt selten gut
Mut auf dem Herzen und eine klare Botschaft auf der Zunge brachte Lazaro Schaller mit sich. Er erzählte aus seiner Kindheit und wie er den Weg zum Sport fand. Seine Leidenschaft gehört dem High Dive an. Bereits beim Zuhören wird mir persönlich schwindlig, denn mit 58,8 Metern gehört Lazaro dem Guinness Book of Records an. Bei all seinen Vorhaben brauchte er stets eines: Mut. Auch wir bei NEOVISO haben den Anspruch, nicht nur kreative, sondern auch mutige Wege einzuschlagen. Doch was ist, wenn aus Mut Übermut wird? Auch wir stellen uns diese Frage des Öfteren. Lazaro war eine inspirierende Begegnung und seine Erzählungen ermutigen mich, den Mut stets bei mir zu tragen.
Den Abschluss machte Simon Verhoeven im Gespräch mit Sherin Kneifl. Sie entführten uns in die Welt eines Regisseurs. Fasziniert lauschte ich seinen Erzählungen und vergass dabei, meine Notizen zu schreiben. Doch was mir besonders geblieben ist, sind folgende Aussagen: Unabhängig von der Dauer eines Filmes braucht es eine Geschichte, welche den Betrachter durch das Geschehen führt. Auf die Frage, ob er lieber Werbefilme oder einen Spielfilm dreht, konnte er keine abschliessende Antwort geben. Bei Simon wird schnell klar, er ist ein Multitalent und weiss seine Fähigkeiten in beiden Bereichen gekonnt einzusetzen. Wie man den Geschmack der Masse trifft, ist für Simon einfach, denn Menschen möchten Geschichten sehen, die Spass machen, mitreissen, aber auch eine gewisse Tiefe vorweisen.
Damit wir auch unser kreatives Netzwerk aufpolieren konnten, warfen wir uns in die Menschenmenge und plauderten über Briefings, Kampagnen, Kunden und ein paar kreative Hirngespinste.
In den zweiten Tag der Creative Days starteten wir mit Regen und einer wolkenverhangenen Stadt Zürich.
Hört gut zu, die Grossen sprechen
Mit dem gross angekündigten «Der Rat» tauchten wir ein in eine wilde Diskussion. Andrea Bison (Gründerin & Co-CEO Thjnk Zürich, Werberin des Jahres 2024), Julia Staub (Creative Director INGO Zürich), Frank Spillmann (Ex-Präsident ADC), Frank Bodin (Ex-Präsident ADC & Ex-CEO HAVAS) und Manuel Wenzel (JvM Deutschland, Creative Office TBWA Zürich) stellten sich dieser Podiumsdiskussion, mit der Aufgabe, uns einen Rat mit auf den Weg zu geben.
Bei den verschiedenen kreativen Grössen wurde ausgiebig Rat gegeben. Immer wieder wurden die Leidenschaft und Liebe hervorgehoben. Man muss seine Karriere mit Leidenschaft und Liebe führen, in diesem Punkt waren sich alle einig. Für grossen Diskussionsstoff sorgten Gespräche über die Zukunft der kreativen Branche und die Chancen und Gefahren der künstlichen Intelligenz. Während sich die einen fürchten, sehen andere ein grosses Potenzial. Nach dem grossen Blick in die Vergangenheit wurde schlussendlich Fahrt in die Zukunft aufgenommen. Denn die goldenen Zeiten der Werbung sind vorbei, doch können wir uns der neuen Geschwindigkeit anpassen, KI richtig nutzen und uns weiterentwickeln, dann haben wir eine grossartige Chance, die kreative Branche auch weiterhin zu bewegen.
Die für uns wichtigsten Erkenntnisse möchten wir mit euch teilen:
- In der Werbung sollte immer vorausgedacht werden.
- Werbung ist nicht nur Kunst, sondern auch eine Dienstleistung.
- Wir müssen unseren kreativen Bereich verteidigen und dürfen uns auch fair bezahlen lassen.
- Gute und kreative Beispiele beginnen mit Denken.
- Wir sollten KI als Chance sehen: Wir können nun Dinge visualisieren, die wir vorher nicht konnten.
- Menschen interessieren sich für nichts anderes mehr als für andere Menschen.
Was nehmen wir mit aus dieser Podiumsdiskussion? Wir müssen offen, neugierig und entdeckungsfreudig bleiben, damit wir uns weiterentwickeln. Wir müssen uns Raum für Inspirationen lassen – dies auch außerhalb der kreativen Branche.
Aufstehen, denn Freude geht nach oben
Die Treppe hoch ging es direkt zu Helga Sanne mit dem Thema «Körpersprache». Natürlich mussten wir mitten im Vortrag aufstehen und uns ganz gross machen, denn Freude geht nach oben und Trauer und Enttäuschung nach unten. Körpersprache ist allerdings nicht nur die Haltung, sondern auch Mimik und Gestik. Sprechpausen, der wohl grösste Endgegner jeder kreativen Präsentation. Doch wie wichtig eine solche Sprechpause ist, erläuterte Helga uns deutlich. Unglaublich, aber wahr, Helga schaffte es, dass wir 45 Minuten lang aufmerksam blieben.
Und so behalte stets im Kopf:
- Du hast beim Präsentieren nur diese eine Chance.
- Menschen kommunizieren und überzeugen mit ihrer Körpersprache.
- Die innere Haltung wird durch die äussere beeinflusst.
- Kreative Visionen überzeugen mit einem selbstbewussten Auftreten.
Als abschliessendes Keynote der Creative Days wurden wir von Evelyne Binsack und José Fernandes in die Bergwelt entführt. Während Evelyne über ihre eindrucksvollen Erlebnisse auf dem Mount Everest sprach, erzählte uns José vom wilden Ritt der Entwicklung der Snowboardszene in der Schweiz. Evelyne schaffte es, eine Parallelwelt zwischen ihren Erlebnissen und dem Alltag in der Kreativbranche herzustellen. Denn wenn man eines nicht unterschätzen darf, dann ist es die Willenskraft eines Menschen.
Das nehme ich von Evelyne mit:
- Willenskraft treibt uns Menschen an.
- Oft verlieren wir den Bezug zur Realität, wenn wir das eine Ziel im Kopf haben und alles andere ignorieren.
- Willen braucht Ruhe und Pausen (Energie bewusst einsetzen).
- Selbstliebe oder Selbstakzeptanz: Wie nehme ich mich wahr?
- Selbstvertrauen ist ein stetiger Wegbegleiter in der kreativen Branche.
Zum Schluss stürmte Arno Camenisch in seinem breiten Bündner Deutsch den Raum. Seine eingerissenen Spickzettel wurden im Takt umgeblättert. Und so waren seine Texte voller Humor, nackten Tatsachen und vielen «wahren» Begebenheiten aus dem Engadin. Arno sagt, diese Geschichten sind wahr, sein Gesicht erzählt allerdings etwas anderes.
Die Klavierklänge füllten den Raum und ich fühlte mich in der Zeit gleich zurückversetzt. Die Architektur des Raumes reicht weit zurück und so lauschten auch die Engel den Klängen von Arno. Geschichten aus dem tiefsten Engadin oder von Taxifahrern aus der ganzen Welt. Seine Texte, leicht zynisch, humorvoll und geprägt von seinen Erlebnissen. Zwischen Fresken, frischen Blumen und Sprechgesang wurden die Creative Days für uns geschlossen.
Nach all den Erlebnissen fragte ich mich nur eines: Wie soll ich über diese beiden Tage einen Blogbeitrag schreiben?